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Sonntag, 1. Dezember
In Wuhan (China) entwickelt ein Mann Symptome einer Atemwegsinfektion. Niemand nimmt zunächst Notiz. Dieser Zeitpunkt ist bislang der früheste, bei dem bei einem SARS-CoV-Patienten erste Symptome auftraten (siehe 24. Januar).
Donnerstag, 12. Dezember
In Wuhan untersuchen Gesundheitsbeamte mehrere Patienten mit einer Lungenentzündung. Sie finden heraus, dass die meisten Patienten kürzlich den Huanan Seafood Wholesale Market besucht haben. Dieser Markt ist als Verkaufszentrum für Geflügel, Fledermäuse, Schlangen und Wildtiere bekannt.
Montag, 30. Dezember 2019
Li Wenliang (en.wikipedia.org/wiki/Li_Wenliang), ein 34-jähriger Augenarzt aus Wuhan, veröffentlicht eine Nachricht in einer WeChat-Gruppe, in der er seine Kollegen auf eine neue Krankheit in seinem Krankenhaus aufmerksam macht. Er schreibt, dass sieben Patienten SARS-ähnliche Symptome haben und sich in Quarantäne befinden. Li bittet seine Freunde, ihre Familien zu informieren und rät seinen Kollegen, Schutzausrüstung zu tragen.
Dienstag, 31. Dezember 2019
Die Polizei Wuhans gibt bekannt, dass sie gegen diverse Personen ermittelt, wegen der angeblichen Verbreitung von Gerüchten über einen neuen Ausbruch von Infektionskrankheiten (siehe 30. Dezember).
Die Wuhan Municipal Health Commission berichtet über 27 Patienten mit viraler Lungenentzündung und einer Exposition gegenüber dem Huanan Seafood Wholesale Market. Sieben Patienten sind schwer krank. Die klinischen Manifestationen sind hauptsächlich Fieber, einige Patienten haben Atembeschwerden, und Thorax-Aufnahmen zeigten bilaterale Infiltrate. Der Bericht sagt, dass die „Krankheit vermeidbar und kontrollierbar“ wäre. http://wjw.wuhan.gov.cn/front/web/showDetail/2019123108989
Donnerstag, 1. Januar
Der Huanan Seafood Wholesale Market wird geschlossen.
Freitag, 3. Januar
In Wuhan wird Li Wenliang zu einem örtlichen Büro für öffentliche Sicherheit zitiert, weil er „falsche Gerüchte verbreitet hat“. Er wird gezwungen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem er zugibt, “falsche Kommentare” abgegeben und zu “sozialen Unruhen” angestiftet zu haben. Li unterschreibt eine Erklärung, in der er sich bereit erklärt, die Krankheit nicht weiter zu diskutieren.
Im sozialen Netzwerk von Weibo gibt die Polizei von Wuhan an, rechtliche Schritte gegen Personen eingeleitet zu haben, die „Gerüchte online veröffentlicht und geteilt haben“ und die „negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben“. Am nächsten Tag werden die Informationen vom staatlichen Fernsehen CCTV aufgenommen. CCTV gibt nicht an, dass die acht Personen, denen vorgeworfen wird, „falsche Gerüchte verbreitet zu haben“, Ärzte sind.
Sonntag, 5. Januar
Die WHO weist darauf hin, dass 44 Patienten mit Lungenentzündung unbekannter Ätiologie von den nationalen Behörden in China gemeldet wurden. Von diesen sind 11 schwer krank, 33 Patienten in einem stabilen Zustand. https://www.who.int/csr/don/05-january-2020-pneumonia-of-unkown-cause-china/en/
Dienstag, 7. Januar
Chinesische Beamte geben bekannt, dass sie ein neues Coronavirus (CoV) bei Patienten in Wuhan identifiziert haben (17 Tage später vorveröffentlicht: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2001017). Coronaviren sind eine Gruppe von Viren, die bei Säugetieren und Vögeln Krankheiten verursachen können. Beim Menschen zirkulieren die häufigsten Coronaviren (HCoV-229E, -NL63, -OC43 und -HKU1) meist saisonal. Sie verursachen Erkältungen, die manchmal mit Fieber und Halsschmerzen verbunden sind, vor allem im Winter und im Frühling. Die Viren verbreiten sich durch Tröpfchen- oder evtl. auch Schmierinfektion.
Sonntag, 12. Januar
Die genetische Sequenz des neuen Coronavirus wird der WHO zur Verfügung gestellt. Laboratorien in verschiedenen Ländern beginnen mit der Erstellung spezifischer diagnostischer PCR-Tests. Die chinesische Regierung erklärt, dass es keine eindeutigen Beweise dafür gäbe, dass das Virus leicht von Person zu Person übertragen werden kann.
Li Wenliang (siehe 30. Dezember) wird mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert.
Montag, 13. Januar
Thailand berichtet über den ersten Fall außerhalb Chinas – eine Frau, die aus Wuhan gekommen war. In den folgenden 10 Tagen werden auch aus Japan, Nepal, Frankreich, Australien, Malaysia, Singapur, Südkorea, Vietnam, Taiwan, Thailand und Südkorea Fälle gemeldet.
Samstag, 18. Januar
Der Medical Literature Guide Amedeo (www.amedeo.com) macht mehr als 50.000 Abonnenten auf eine Studie des Imperial College London aufmerksam, in der die potenzielle Gesamtzahl neuartiger Coronavirus-Fälle in Wuhan City, China, von Imai et al. erörtert wird. Die Autoren schätzen, dass in Wuhan City 1.723 Menschen (95% Konfidenzintervall 427-4.471) vor dem 12. Januar erkrankten. Offiziell wurden bis zum 16. Januar nur 41 Fälle gemeldet.
Montag, 20. Januar
China meldet drei Todesfälle und mehr als 200 Infektionen. Infektionen werden jetzt auch außerhalb der Provinz Hubei (Peking, Shanghai und Shenzhen) diagnostiziert. Asiatische Länder kontrollieren an Flughäfen Einreisende aus chinesischen Risikogebieten.
Donnerstag, 23. Januar
In einem beispiellosen Schritt stellt die chinesische Regierung Millionen Menschen unter Quarantäne. Alle Veranstaltungen für das neue Mondjahr (ab dem 25. Januar) werden abgesagt.
Freitag, 24. Januar
In 10 Ländern werden fast 1000 neue Fälle diagnostiziert: Frankreich, China, Japan, Thailand, Südkorea, Singapur, Vietnam, Taiwan, Nepal und die Vereinigten Staaten.
Zhu et al. veröffentlichen ihren umfassenden Bericht über die Isolierung eines neuartigen Coronavirus, das sich sowohl von MERS-CoV als auch von SARS-CoV unterscheidet (Volltext: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2001017). Sie beschreiben sensitive Assays zum Nachweis viraler RNA in klinischen Proben.
Wang et al. veröffentlichen klinische Merkmale von 41 Patienten (Volltext: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30185-9). Der erste Patient entwickelte Symptome bereits am 1. Dezember, hatte allerdings keine Verbindung zu dem Markt in Wuhan. Andere Forscher aus China weisen auf eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung hin (Volltext: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30154-9).
Samstag, 25. Januar
Die chinesische Regierung ordnet Reisebeschränkungen für weitere Städten in Hubei an. Die Zahl der von den Quarantänemaßnahmen betroffenen Personen beträgt nun 56 Millionen.
Hongkong erklärt den Notstand. Chinesische Neujahrsfeiern werden abgesagt, die Verbindungen zum chinesischen Festland werden eingeschränkt.
Europäische Forscher, darunter Christian Drosten, stellen die notwendigen PCR-Tools online (Corman 2020). Damit ist die Diagnostik etabliert, noch bevor das Virus in Europa angekommen ist.
Montag, 27. Januar
In Starnberg bei München gibt das Gesundheitsamt den ersten Fall in Deutschland bekannt. Ein Mitarbeiter eines Automobilzulieferers hatte sich bei einer chinesischen Kollegin während eines Seminars angesteckt. Die Frau zeigte Symptome, als sie nach China zurückkehrte. Der Betrieb schließt am 29. Januar. Alle Mitarbeiter, die sich ansteckten, überstehen die Infektion in einem Münchner Krankenhaus in Quarantäne.
Donnerstag, 30. Januar
Die WHO erklärt das Coronavirus zum globalen Notfall. In China hat sich das Virus inzwischen in allen chinesischen Provinzen verbreitet. Das Land meldet 7.711 Fälle und 170 Todesfälle.
Freitag, 31. Januar
Li Wenliang veröffentlicht seine Erfahrungen mit der Wuhan-Polizeistation (siehe 3. Januar) in den sozialen Medien. Sein Beitrag geht viral.
Indien, die Philippinen, Russland, Spanien, Schweden, Großbritannien, Australien, Kanada, Japan, Singapur, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vietnam bestätigen erste Fälle.
Sonntag, 2. Februar
Erstmals wird ein Todesfall außerhalb Chinas gemeldet, auf den Philippinen. Es handelt sich um einen einen Chinesen aus Wuhan. Zwei Tage später ein Todesfall in Hongkong.
Donnerstag, 6. Februar
Li Wenliang, bestraft dafür, dass er seine Kollegen auf die neue Krankheit aufmerksam gemacht hatte, stirbt. Sein Tod löst Wut, Trauer und Forderungen nach Redefreiheit aus: https://www.theguardian.com/global-development/2020/feb/07/coronavirus-chinese-rage-death-whistleblower-doctor-li-%20wenliang.
Freitag, 7. Februar
Hongkong führt Haftstrafen für Personen ein, die gegen Quarantäneregeln verstoßen.
Montag, 10. Februar
Amedeo startet einen wöchentlichen Coronavirus-Literaturdienst, der später Amedeo COVID-19 genannt wird.
Dienstag, 11. Februar
Weniger als drei Wochen nach Einführung der Massenquarantäne in China sinkt die Zahl der täglich gemeldeten Fälle.
Die WHO verkündet, dass die neue Infektionskrankheit COVID-19 (Coronavirus Disease 2019, Coronavirus-Krankheit 2019) heißen soll.
Mittwoch, 12. Februar
An Bord des Kreuzfahrtschiffes Diamond Princess, das in Yokohama (Japan) angedockt ist, sind 175 Menschen mit dem Virus infiziert. In den folgenden Wochen werden über 700 Menschen an Bord infiziert.
Mittwoch, 19. Februar
Der Iran meldet zwei Todesfälle durch das Coronavirus.
Im Mailänder Fussballstadion San Siro gewinnt das Team Atalanta Bergamo das Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Valencia mit 4:1 vor begeisterten 44.000 Fussballfans. Dieser Abend (enge Kontakte in Stadion, Nahverkehr, Bars) wird von einigen Beobachtern später als „biologischer Urknall“ der Epidemie in Italien bezeichnet. In Wirklichkeit zirkulierte SARS-CoV-2 schon seit Mitte Januar in Norditalien.
Donnerstag, 20. Februar
Ein 30-jähriger Patient, der auf der Intensivstation des Codogno-Krankenhauses (Lodi, Lombardei, Italien) aufgenommen wurde, wird positiv auf SARS-CoV-2 getestet. In den nächsten 24 Stunden erhöht sich die Zahl der gemeldeten Fälle auf 36, ohne Verbindung zum ersten Patienten. Es ist der Beginn der italienischen Epidemie. jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2763188
Sonntag, 23. Februar
Der Karneval in Venedig wird vorzeitig beendet und Sportveranstaltungen in den am stärksten betroffenen italienischen Regionen ausgesetzt.
Montag, 24. Februar
Bahrain, Irak, Kuwait, Afghanistan und Oman melden die ersten Fälle.
Der Mangel an Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmittel in Europa wird offensichtlich. Niemand hat vorgesorgt. Christian Hoffmann versucht tagelang, für seine Einrichtung an einfache Schutzmasken zu kommen. Was sonst Cent-Beträge wert ist, ruft nun gierige Profiteure auf den Plan. Eine Apothekerin aus einem beliebten Einkaufszentrum liefert am Ende 100 FFP-2-Masken. Die Rechnung: 1998,00 Euro. Der Justiziar der Apothekerkammer vertritt die Auffassung, dass dies kein Wucher wäre.
Dienstag, 25. Februar
Der Öffentlichkeit wird ein Bericht über eine gemeinsame Mission von 25 internationalen und chinesischen Experten vorgelegt. Wichtigstes Ergebnis: die chinesische Epidemie erreichte zwischen dem 23. Januar und dem 2. Februar ihren Höhepunkt und ging danach stetig zurück (Tabelle 1).
Abbildung 1. Covid-19-Fälle in China, Januar/Februar 2020. Epidemiekurven nach Symptombeginn (blau) und Berichtsdatum (orange) am 20. Februar 2020 für laborbestätigte COVID-19-Fälle in China. Modifiziert nach dem Bericht der Gemeinsamen Mission der WHO und China zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19). 16.-24. Februar 2020. https://www.who.int/publications-detail/report-of-the-who-china-joint-mission-on-coronavirus-disease-2019-(covid-19)
Dies war der erste Beweis dafür, dass die von der chinesischen Regierung angeordneten Quarantäne-Maßnahmen wirksam waren. Leider werden europäische Länder, an denen die SARS-Epidemie 2003 vorübergegangen war, wertvolle Zeit verlieren, bevor sie dem chinesischen Beispiel folgen.
In den folgenden 24 Stunden melden Norwegen, Dänemark, die Niederlande, Nordirland, Estland, Rumänien, Griechenland, Georgien, Pakistan, Nordmakedonien und Brasilien erste Fälle.
Mittwoch, 26. Februar
Ein Präsident sorgt sich um seine Chancen auf Wiederwahl. Er spielt die Bedrohung durch die Coronavirus-Pandemie herunter und twittert: „Low Ratings Fake News…“ Der Politiker ist nicht besorgt um die Menschen, sondern um die Wirtschaftsmärkte. https://www.bmj.com/content/368/bmj.m941
Zwei Tage später wird die Magie bemüht: „Es ist im Begriff zu verschwinden. Eines Tages ist es wie ein Wunder, es wird verschwinden.“
Freitag, 28. Februar
Ein kurzer Blick auf europäische Fälle, die vom 24. bis 27. Februar außerhalb Italiens diagnostiziert wurden, zeigt, dass 31 von 54 Personen (57%) kürzlich Norditalien bereist hatten. Zu diesem Zeitpunkt erkennen auch Nicht-Epidemiologen, dass die italienische Epidemie aus dem Ruder laufen wird.
Freitag, 6. März
Verstörende Berichte aus Italien machen die Runde. „Ein Tsunami, der uns überwältigt hat“, schreibt der Arzt Daniele Macchini aus Bergamo in den sozialen Medien. „Unterschätzt das Virus nicht“. Die Berichte über katastrophale Verhältnisse in den norditalienischen Krankenhäusern werden innerhalb weniger Tage über 30.000 Mal geteilt.
Samstag, 7. März
Chinas Exporte sind in den ersten beiden Monaten des Jahres um 17,2 Prozent gegangen.
Sonntag, 8. März
Italien verhängt eine strikte Quarantäne für 16 Millionen Menschen im Bundesstaat Lombardei und in 14 anderen Gebieten in Norditalien.
Montag, 9. März
Italien weitet strenge Quarantänemaßnahmen auf das gesamte Land mit 60 Millionen Einwohnern aus. Die Regierung erklärt das italienische Territorium zu einer „Sicherheitszone“. Allen Menschen wird gesagt, dass sie zu Hause bleiben sollen, es sei denn, sie müssen aus „triftigen beruflichen oder familiären Gründen“ aus dem Haus gehen. Die Schulen sind geschlossen.
Der Iran lässt aufgrund der Epidemie 70.000 Gefangene frei.
Dienstag, 10. März
Xi Jinping bereist die Stadt Wuhan und erklärt den vorläufigen Sieg im Kampf gegen COVID-19. Die letzten beiden der 16 provisorischen Krankenhäuser der Stadt sind geschlossen.
Mittwoch, 11. März
Die WHO erklärt den Ausbruch des Coronavirus zur Pandemie.
Alle Schulen in und rund um Madrid, auch Kindergärten und Universitäten, werden geschlossen.
Donnerstag, 12. März
In Spanien werden 70.000 Menschen in Igualada (Region Barcelona) und drei anderen Gemeinden unter Quarantäne gestellt. Dies ist das erste Mal, dass Spanien Isolationsmaßnahmen für ganze Gemeinden ergreift.
Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigt die Schließung von Kindergärten, Schulen und Universitäten ab Montag, 16. März, an. Er erklärt: „Ein Prinzip unsere Handelns (ist) Vertrauen in die Wissenschaft. Denen zuzuhören, die es wissen.” Einige seiner Kollegen sind nicht so schlau.
Freitag, 13. März
Ein Premier-Minister führt den Begriff „Herdenimmunität“ als Lösung für wiederholte zukünftige Episoden von Coronavirus-Epidemien ein. Die Schockbehandlung: Akzeptieren, dass 60% der Bevölkerung sich mit dem Virus infizieren, wodurch sich eine kollektive Immunität entwickelt und zukünftige Epidemien vermieden werden. Die Zahlen schockieren: bei etwas mehr als 66 Millionen Einwohnern würden rund 40 Millionen Menschen infiziert, 4 bis 6 Millionen würden schwer erkranken und 2 Millionen müssten intensiv behandelt werden. Rund 400.000 Briten wären gestorben. Der Premierminister geht davon aus, dass „viel mehr Familien Angehörige vor ihrer Zeit verlieren werden“.
Samstag, 14. März
Die spanische Regierung ordnet einen landesweiten Lockdown an.
Die französische Regierung kündigt die Schließung aller „unwesentlichen“ öffentlichen Orte (Bars, Clubs, Restaurants, Cafés, Kinos) nach Mitternacht an. Nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Banken, Tabakhändler und Tankstellen bleiben geöffnet.
Sonntag, 15. März
Frankreich ruft 47 Millionen Bürger zur Wahl. Sowohl Regierungs- als auch Oppositionsführer scheinen für die Aufrechterhaltung der Kommunalwahlen zu sein. Ein Lehrbuchbeispiel für eine inakzeptable Einmischung der Parteipolitik in das rationale Management einer tödlichen Epidemie?
Montag, 16. März
Ferguson et al. veröffentlichen eine Modellstudie zur Epidemie in Großbritannien und den USA. Ohne Kontrollmaßnahmen oder Verhaltensänderungen erwarten die Autoren einen Maximalwert der täglichen Todesfälle nach etwa 3 Monaten. Dies würde dazu führen, dass 81% der US-Bevölkerung, etwa 264 Millionen Menschen, an COVID-19 erkranken. Von diesen würden 2,2 Millionen sterben, darunter 4-8% der Amerikaner über 70 Jahre. Der Bedarf an Intensivpflegebetten würde in der zweiten Aprilwoche etwa 30-mal höher als das Angebot.
Das Modell analysiert dann zwei Ansätze: Abschwächung und vollständige Unterbrechung. Im ersten Szenario breitet sich SARS-CoV-2 weiterhin langsam aus, um eine Überlastung der Krankenhaussysteme zu vermeiden. Im zweiten würden extreme soziale Distanzierungsmaßnahmen und Quarantänen die Ausbreitung des Virus stoppen. Die Studie bietet auch einen Ausblick auf die Zeit, in der strenge Maßnahmen aufgehoben würden. Die Perspektive ist düster: Die Epidemie würde erneut losbrechen.
Abbildung 2.. Impact of non-pharmaceutical interventions (NPIs) to reduce COVID-19 mortality and healthcare demand. (by Ferguson et al.)
Frankreich verhängt strenge Haftmaßnahmen.
Dienstag, 17. März
Sieben Millionen Menschen in der San Francisco Bay Area werden angewiesen, „shelter in place“, also zu Hause bleiben. Die meisten Geschäfte sind geschlossen. Ausnahmen: Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Restaurants (nur zum Mitnehmen und Ausliefern), Krankenhäuser, Tankstellen, Banken.
Mittwoch, 18. März
Eine Studie deutet an, dass hohe Temperaturen und hohe relative Luftfeuchtigkeit die Übertragung von SARS-CoV-19 verringern könnten (Wang J 2020). Wird der Sommer auf der Nordhalbkugel die Dynamik der Pandemie verändern?
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine Fernsehansprache, ihre erste nach über 14 Jahren im Amt. Sie bezeichnet die Corona-Krise „als größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg“ und schwört die Deutschen ein: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“.
Donnerstag, 19. März
Zum ersten Mal seit Beginn des Ausbruchs gibt es in Wuhan und in der Provinz Hubei keine neuen Fälle.
Lockdown in Kalifornien.
Freitag, 20. März
In Spanien reduzieren die Quarantäne-Maßnahmen die Kriminalität um 50%.
China meldet an drei aufeinander folgenden Tagen keine neuen lokalen Fälle. Einschränkungen werden gelockert, das normale Leben wird wieder aufgenommen. Wird sich das Virus wieder verbreiten?
Der Lockdown für den Bundesstaat New York wird angekündigt.
Montag, 23. März
Lockdown in Großbritannien. Die Einschränkungen sind weniger gravierend als in Italien, Spanien und Frankreich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel geht nach einer Pneumokokken-Impfung in Quarantäne, nachdem sich herausstellt, dass der Arzt, der sie impfte, SARS-CoV-2 positiv war.
Dienstag, 24. März
12% der in Spanien gemeldeten Fälle sind Beschäftigte im Gesundheitswesen.
Die Olympischen Spiele in Tokio werden auf 2021 verschoben.
Lockdown in Indien. Weltweit sind drei Milliarden Menschen zu Hause eingesperrt.
Mittwoch, 25. März
Nach wochenlanger Quarantäne heben die chinesischen Behörden die Reisebeschränkungen in der Provinz Hubei auf. Um zu reisen, müssen die Bürger auf ihrem Handy einen „Green Code“ vorweisen, der von einem Überwachungssystem per AliPay-App bereitgestellt wird.
Ein 16-jähriges Mädchen stirbt im Süden von Paris an COVID-19. Es hatte keine Vorerkrankungen.
Donnerstag, 26. März
America First: die USA sind nun das Land mit den meisten Fällen weltweit.
Aus Angst vor einer Reaktivierung der Epidemie verbietet China den meisten Ausländern die Einreise.
Freitag, 27. März
Ein Kommentar im Lancet nennt die insuffizienten Vorbereitungen des britischen Gesundheitssystems „einen nationalen Skandal“.
In einem Pflegeheim in King County, Washington, USA, sind 34 von 101 Bewohnern an COVID-19 gestorben (McMichael 2020).
Samtag, 29. Februar
Veröffentlichung der ersten Auflage von COVID Reference.
Montag, 30. März
Die von Flaxman S et al. vom Imperial College veröffentlichen Daten über mögliche Infektionszahlen in 11 europäischen Ländern deuten an, dass am 28. März in Italien und Spanien 5,9 bzw. 7 Millionen Menschen infiziert sein könnten (siehe Tabelle). Deutschland, Österreich, Dänemark und Norwegen hätten die niedrigsten Infektionsraten (Anteil der infizierten Bevölkerung). Diese Daten legen nahe, dass die Mortalität der COVID-19-Infektion in Italien im Bereich von 0,4% (0,16% bis 1,2%) liegen könnte.
Moskau und Lagos (21 Millionen Einwohner) gehen in den Lockdown.
SARS-CoV-2 breitet sich an Bord des Flugzeugträgers USS Theodore Roosevelt aus. Kapitän Brett Crozier bittet per E-Mail drei Admirale um Erlaubnis, alle nicht wesentlichen Seeleute zu evakuieren, bekannte Fälle unter Quarantäne stellen und das Schiff sanieren zu dürfen. „Wir führen keinen Krieg. Seeleute müssen nicht sterben“, schreibt Crozier. Der Brief gelangt in die Medien und sorgt für Schlagzeilen. Drei Tage später wird Crozier entlassen. Navy First. Später ergeben Tests, dass ungefähr 600 der Seeleute infiziert sind, 350 davon asymptomatisch.
Dienstag, 2. April
Weltweit sind mehr als eine Million Fälle gemeldet. Die wahre Zahl ist wahrscheinlich deutlich höher (siehe Flaxman-Papier vom 30. März). Alle europäischen Zeitungen veröffentlichen Artikel über die Frage, warum Deutschland so wenige Todesfälle durch COVID-19 hat.
Freitag, 3. April
Ökonomen warnen davor, dass die Arbeitslosigkeit das Niveau der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren übertreffen könnte. Die gute Nachricht: Fast alle Regierungen bewerten die Rettung von Zehntausenden oder Hunderttausenden Menschenleben höher als die Vermeidung einer massiven wirtschaftlichen Rezession. Ist die Menschheit menschlicher geworden?
Le Monde, die einflussreichste französische Zeitung, weist auf einen profanen Nebeneffekt der Epidemie hin. Da es Friseuren verboten ist zu arbeiten, würden innerhalb „von zwei Monaten 90% der Blondinen vom Erdboden verschwunden sein“.
Samstag, 4. April
In Europa gibt es Zeichen der Hoffnung. In Italien nimmt erstmals seit Beginn der Epidemie die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Personen ab.
In Frankreich werden 6.800 Patienten auf Intensivstationen behandelt. Mehr als 500 davon werden in Krankenhäuser von epidemischen Krisenherden wie dem Elsass und dem Großraum Paris in andere Regionen mit weniger Fällen evakuiert. Es werden umgebaute TGV-Hochgeschwindigkeitszüge und Flugzeuge eingesetzt.
Die Lombardei beschließt, dass die Menschen ab Sonntag Masken oder Schals tragen müssen. Supermärkte müssen ihren Kunden Handschuhe und hydroalkoholisches Gel zur Verfügung stellen.
Sonntag, 5. April
Schweden ist eines der letzten Länder in Europa, das einen lockeren Ansatz zur Bekämpfung der Epidemie verfolgt. Die Sterblichkeitsrate ist deutlich höher als in Norwegen und Dänemark. Wie lange wird sich dieser Kurs durchhalten lassen?
Der US-Chirurg warnt das Land, dass es in der nächsten Woche einen „Pearl Harbor-Moment“ erleben wird.
Die USA sind das neue Epizentrum. Mehr als 300.000 Fälle und fast 10.000 Todesfälle sind gemeldet, fast die Hälfte aus New York und New Jersey.
Dienstag, 7. April
Die Luftqualität verbessert sich in Italien, Großbritannien und Deutschland. Kohlendioxid- und Stickstoffdioxidwerte sinken. Wird eine retrospektive Analyse des Lockdowns weniger Fälle von Asthma, Herzinfarkt und Lungenerkrankungen aufdecken?
Mittwoch, 8. April
In Wuhan dürfen Menschen zum ersten Mal seit der Schließung der Stadt vor 76 Tagen wieder reisen.
Donnerstag, 9. April
Die EU-Finanzminister stimmen einem gemeinsamen Notfallplan zu, um die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft zu limitieren. Die Eurogruppe erzielt eine Einigung über einen Reaktionsplan im Wert von mehr als 500 Milliarden Euro für die Länder, die am stärksten betroffen sind.
Der Passagierflugverkehr ist um bis zu 95% zurückgegangen. Wie viele der 700 Fluggesellschaften werden in den nächsten Monaten überleben? Wie wird das zukünftige Reiseverhalten aussehen?
COVID-19 setzt der US-Wirtschaft zu. Mehr als 16 Millionen Amerikaner haben in den letzten drei Wochen Arbeitslosenanträge gestellt.
Freitag, 10. April
Nachricht von Ihrem Mobiltelefon: „Sie hatten Kontakt mit jemandem, der positiv für Coronavirus ist.“ Google und Apple geben bekannt, dass sie ein „Coronavirus-Tracking-System“ für iOS und Android entwickeln. Bluetooth-Technologie ermöglicht es, ein freiwilliges Kontaktverfolgungsnetzwerk aufzubauen. Über offizielle Apps könnten Gesundheitsbehörden Personen identifizieren, die sich in unmittelbarer Nähe eines „infizierten“ Telefons befunden hätten. Was würde George Orwell dazu wohl sagen?
Spanien entdeckt COVID Reference. Innerhalb von 24 Stunden laden mehr als 15.000 Menschen das PDF der spanischen Ausgabe herunter. Die einzige Erklärung: Eine große Medienplattform hatte den Link auf der Homepage. Weiß jemand, wer es war?
Abbildung 3. Google Analytics-Daten für www.CovidReference.com am 10. April. Mehr als 500 Personen besuchen die Website zum gleichen Zeitpunkt, die meisten aus Spanien.
Samstag, 11. April
Mehr als 400 von 700 Langzeitpflegeeinrichtungen (EHPAD auf Französisch, Etablissement d’Hébergement pour Personnes Agées Dépendantes) im Großraum Paris (10 Millionen Einwohner) haben COVID-19-Fälle.
Sonntag, 12. April
Ostern 2020. Italien meldet 361 neue Todesfälle, die niedrigste Zahl seit 25 Tagen, Spanien 603 Todesfälle. Das entspricht einem Rückgang von mehr als 30% gegenüber dem Höchststand von vor 10 Tagen.
Abbildung 4. Tägliche Anzahl von COVID-19-Todesfällen in Italien (rot) und Spanien (blau).
Großbritannien verzeichnet mit fast 1.000 die höchste tägliche Zahl von Todesopfern. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle übersteigt jetzt 10.000. Wie in anderen Ländern liegen die tatsächlichen Zahlen wahrscheinlich höher, Todesfälle in Pflegeheimen werden kaum gemeldet.
In New York gibt es erste Anzeichen, dass sich die Pandemie ihrem Höhepunkt nähern könnte.
Montag, 13. April
Die französische Zeitung Le Monde benennt die Ingredienzien für schlechtes Pandemie-Management: Realitätsverleugnung, Suche nach Sündenböcken für eigene Fehler, Ausschalten kritischer Stimmen, Isolationismus und mangelnde Weitsicht.
Dienstag, 14. April
Österreich ist das erste europäische Land, das die Lockdown-Maßnahmen lockert. Allein in Wien dürfen heute 4.600 Geschäfte eröffnen.
Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für 2020 einen Rückgang des BIP um 3%. Die Möglichkeit eines noch brutaleren Rückgangs 2021 wird nicht ausgeschlossen. Der möglicherweise gravierendste wirtschaftliche Abschwung seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 wird keinen Kontinent verschonen. Die Länder der Eurozone, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten könnten einen Rückgang der Aktivität zwischen 5,9% und 7,5% verzeichnen. Chinas Wirtschaft wird voraussichtlich um etwa 1% wachsen.
Die Centers for Disease Control and Prevention berichten, dass mehr als 9.000 Beschäftigte im US-Gesundheitswesen an COVID-19 erkrankten und mindestens 27 starben. Das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre, 73% waren weiblich. Todesfälle waren am häufigsten bei Erkrankten von mehr 65 Jahren.
Mittwoch, 15. April
Philip Anfinrud und Valentyn Stadnytsky von den National Institutes of Health, Bethesda, berichten über ein Laserlichtstreuungsexperiment, bei dem sprachgenerierte Tröpfchen und ihre Flugbahnen visualisiert wurden. Sie stellen fest, dass wenn eine Testperson „Stay healthy“ („Bleib gesund“) sagt, zahlreiche Tröpfchen in einer Größe von von 20 bis 500 µm erzeugt werden. Wenn dieselbe Phrase dreimal durch einen leicht feuchten Waschlappen ausgesprochen wird, bleibt die Anzahl der Blitze (Tröpfchen) nahe am Hintergrundniveau. Das Video unterstützt die Empfehlung, in der Öffentlichkeit Gesichtsmasken zu tragen. Die Autoren fanden auch heraus, dass die Anzahl der Blitze (Tröpfchen) mit der Lautstärke der Sprache zunimmt. Die Botschaft für Milliarden von Menschen in der neuen COVID-Welt: Nicht schreien, leise sprechen!
Freitag, 17. April
Auf dem französischen Flugzeugträger Charles-de-Gaulle wird ein Ausbruch bestätigt. Unter den 1.760 Seeleuten werden 1.046 (59%) positiv für SARS-CoV-2 getestet, 500 (28%) zeigten Symptome, 24 (1,3%) Seeleute werden stationär behandelt, 8 sind unter Sauerstofftherapie und einer ist auf der Intensivstation.
Samstag, 18. April
Care England, Großbritanniens größte Pflegeheim-Organisation, geht davon aus, dass bis zu 7.500 Einwohner an COVID-19 gestorben sein könnten. Diese Zahl wäre höher als die von der Regierung geschätzten 1.400 Todesfälle in Pflegeheimen.
In Italien sind 131 Ärzte an COVID-19 gestorben.
Allein in Katalonien wird vermutet, dass mehr 6.000 Krankenhausfachkräfte und weitere 6.000 Fachkräfte in Altersheimen mit SARS-CoV-2-infiziert sind.
Sonntag, 19. April
Abbildung 5. Tägliche Zahl von COVID-19-Todesfällen in Deutschland (grün) und im Vereinigten Königreich (schwarz).
Montag, 20. April
Zum ersten Mal in der Geschichte fällt der Referenzpreis für US-Öl, unter 0 USD, ins Minus. Grund für dieses Paradoxon: Ein dramatischer Rückgang der Nachfrage von Rohöl um 30% und randvolle Speicher. Investoren sind bereit dafür zu zahlen, dass ihnen jemand ihr Zeug abnimmt.
Das Oktoberfest ist abgesagt. Der Verlust für die Stadt München wird auf rund eine Milliarde Euro geschätzt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, ob des Leichtsinns ihrer Landsleute besorgt, prägt ein neues Wort: „Öffnungsdiskussionsorgien“.